Beliebte Tags
Schlagwörter

JOHN DER POLE – Ein unvergesslicher Charakter

JOHN DER POLE – Ein unvergesslicher Charakter

Dies sind einige Betrachtungen zu seinem Leben von Basil Borthwick mit Danksagungen an Peter McGhie und Phil Webster, seinen beiden `Muckers` auf dem Marsch von Görlitz nach Westen, an Billy Allison (The Fox) für Kopien von Briefen von Johns Stieftochter, Mrs Agnes Mitchelmore, und an Bob Anderson für Johns Brief von 1962. (Dieser Artikel wurde in PowWow, dem Magazin der neuseeländischen Ex-Kriegsgefangenenvereinigung, abgedruckt).

 

John’s richtiger Name war Jan Sojak. Aber als im September 1943, zur Zeit des italienischen Waffenstillstands, die Gefangenen des „Campo 52“ in der Nähe von Genua  von den Deutschen ergriffen und nach Deutschland gebracht wurden, zeigte er ein gutes Gespür. Er legte seine polnische Identität ab und nahm die des verstorbenen südafrikanischen Soldaten, John de Beer an.

Allerdings war er im „Campo 52“ und Stalag VIIIA den meisten seiner neuseeländischen Mitgefangenen besser bekannt als „John the Pole“ (John der Pole). In den Kriegsgefangenenlagern gab es immer einige Männer, welche sich von ihren Kameraden abhoben. John war einer von ihnen. Neuseeländer, die ihn in diesen beiden Lagern kannten, werden traurig sein, von seinem Tod in England am 3. September 1977 zu erfahren.

 

Als Kriegsgefangene hatten wir mit Männern vieler Nationalitäten zu tun und nach 30 Jahren ist es natürlich, dass unsere Erinnerungen an einige von ihnen verblasst sind. Aber andere, mit markanten Persönlichkeiten und Charakterstärke, sind unmöglich zu vergessen – John Sojak ist einer von ihnen.

 

Polen hat eine lange Geschichte der Teilung durch größere Mächte hinter sich. Erst nach dem 1. Weltkrieg konnten die Polen ihr Land wieder ihr Eigen nennen. Alle Polen sind zutiefst patriotisch aber viele wurden (vor 1914) in die Armeen der Mächte eingezogen, die Polen besetzten. So kämpfte auch der damals 18 jährige John Sojak im Ersten Weltkrieg auf österreichischer Seite gegen die Italiener.

 

In den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen diente er in der polnischen Armee und erlangte den Rang eines Oberstabsfeldwebels in einem Kavallerieregiment. Dies war ein Rang, welcher viel Prestige mit sich brachte. Es war beispielsweise üblich, einem Oberstabsfeldwebel im Opernhaus seinen Sitzplatz anzubieten. Zu dieser Zeit entwickelte sich unter den polnischen Unteroffizieren ein Trend, und viele, einschließlich John, ließen sich ihre Backenzähne entfernen und durch Goldzähne ersetzen, die gebohrt und versenkt wurden. Später, als Kriegsgefangener in Deutschland,  achtete John im Gespräch mit deutschen Wachen stehts darauf mit geschlossenen Lippen zu sprechen, um nicht versehentlich seine Goldzähne zu offenbaren.

 

Am 1. September 1939 überfiel Deutschland Polen und bis zum 5. September hatten Hitlers Truppen die polnische Armee durchbrochen und die polnische Flur überrannt. John, der im Westen gegen die Deutschen kämpfte, geriet in Gefangenschaft. Er entkam und schlug sich über eine beträchtliche Strecke nach Südosten durch, wo er sich den polnischen Truppen nahe der rumänischen Grenze wieder anschloss. Etwas mehr als zwei Wochen später, am 17. September, rückte die russische Armee entlang der 800 Meilen langen polnisch-russischen Grenze nach Polen vor und zerstörte alle verbliebene Hoffnung. Armee und Luftwaffe wurde besiegt und so versuchten die Polen, ihre Truppen außerlandes zu bringen, um mit den Alliierten zu kämpfen. Als die russischen und deutschen Truppen am 20. September am oberen Dnjestr aufeinandertrafen, konnten nur jene Polen Nahe des rumänischen Brückenkopfes über die Grenze entkommen.

 

John entkam nach der Gefangennahme durch die Russen erneut, setzte sich nach Rumänien ab und gelangte über Bulgarien, die Türkei und Syrien nach Palästina, wo er sich der Freien Polnischen Brigade anschloss. Im September 1940 waren die Cafés in Tel Aviv voller polnischer Soldaten und im Commercial Hotel muss es einen Mangel an Matratzen gegeben haben, denn polnische Soldaten schliefen, vollständig bekleidet, auf Drahtmatratzen. John sprach selten über seine eigenen Erlebnisse in dieser Zeit. Aber Anfang 1941 nahm er als Verbindungsoffizier der 7. Panzerdivision an der Eroberung der Cyrenaica durch General Wavell teil. Nach der Schlacht von Beda Fomm, in der General Bergonzoh mit seiner Armee kapitulierte, schloss die 7. Panzerdivision diese Eroberung ab, indem sie bis zur Grenze von Tripolitanien bei El Agbiela vorrückte. Hier begann Rommel Ende März seine Gegenoffensive (der Großteil der Wüstenarmee befand sich zu diesem Zeitpunkt in Griechenland). In den darauffolgenden Kämpfen wurde John ein drittes Mal gefangen genommen und kam schließlich ins „Campo 52“ in Piani-di-Coreglia bei Genua.

Anfang 1942, als das Lager mit Neuseeländern und Südafrikanern gefüllt war, die in den libyschen „Kreuzfahrer“-Schlachten gefangen genommen worden waren, teilte er sich eine Baracke mit Bob Anderson vom 20. Bataillon, Cathro vom 5. Sanitätsdienst und zwei Engländern, Ollie Squirrel und Van Winsum, alle ranghöchste Unteroffiziere. Hier fand er in Bob Anderson eine verwandte Seele. Sie unterhielten sich stundenlang und genossen die Gesellschaft des anderen. Aber John war, wie immer, zurückhaltend, was seine eigenen Erfahrungen anging. Bob behauptet, dass er ihm „gutes“ Englisch beigebracht hat.

 

Als Neuankömmlinge wurden wir bald auf John aufmerksam, da er oft in Gesellschaft von zwei polnischen Jungen Sport machte, die nur halb so alt aussahen wie er. Auf dem Gelände lungerte er oft in der Nähe des Stacheldrahtes herum und schien sich flüsternd mit dem italienischen Wachposten außerhalb des Drahtes zu unterhalten. Das Flüstern wurde mit einigem Misstrauen betrachtet bis wir entdeckten, dass John mit seinen sprachlichen Fähigkeiten versuchte, verschiedene Wachposten als mögliche Informationsquellen auszumachen. Er war immer gut informiert. Er konnte sich in jeder europäischen Sprache unterhalten. Aber aus irgendeinem Grund mochte er Ungarisch nicht. Er hielt es für eine schwer zu beherrschende Sprache. Als Händler hatte er einen natürlichen Scharfsinn und war ein sehr guter Turner. Obwohl er nicht groß war, war sein Körper gut proportioniert und er war enorm stark. Zusammen mit einem der polnischen Jungen gab er Turnvorführungen bei Freiluft-Veranstaltungen im Lagers. Für die meisten Neuseeländer war das eine Neuheit und trug nicht nur zur Unterhaltung bei, sondern machte ihn auch zu einer der Berühmtheiten des Lagers.

 

Im Dezember 1942 wurden alle Neuseeländer vom „Campo 52“ ins „Campo 57“ verlegt. John blieb als Pole allerdings im 52. Mit dem Zusammenbruch Italiens im September 1943 wurde er schließlich ins Stalag VIIIA in Deutschland gebracht, wo er viele seiner ehemaligen neuseeländischen Freunde wiedertraf. Zu dieser Zeit übernahm er die Identität von John de Beer. Er wollte vermeiden, dass die Deutschen von seiner polnischen Identität erfuhren, da er befürchtete, in die deutsche Armee eingezogen- und an die russische Front geschickt zu werden.

 

Sein Aussehen spiegelte sein Leben als Berufssoldat wider. Stets glattrasiert, kleidete er sich mit dem anspruchsvollen Stolz eines polnischen Kavalleristen. Ein Foto, aufgenommen im Sommer 1944 in Görlitz, zeigte seine stämmige Gestalt in Hemd und kurzer Hose, Strumpfhosen und kurzen weißen Socken, die gerade über die Stiefel gestülpt waren – ordentlich, sauber und kompakt.

 

Im Stalag VIIIA waren einige Baracken überwiegend mit nur einer Nationalität belegt, was oft zu einer Engstirnigkeit führte. Baracke 33A, in der John lebte, war genau das Gegenteil: Sie enthielt mindestens zehn verschiedene Nationalitäten, Iren, Engländer, Schotten, Waliser, Inder, Polen, Südafrikaner, Australier, Neuseeländer und Kanadier und mit einigen lebhaften Charakteren war das Leben in der Baracke immer interessant.

 

John lebte am hinteren Ende mit einer Gruppe von sieben Neuseeländern, Ralph Willocks, „Monty“ Montgomery, Peter McGhie, Bob Anderson, Ted O’Hara, Jim Hurrell, Phil Webster, dem Australier Andy McGregor und einem Engländer, Joe Bakewell. Vorn, bzw. am gegenüberliegenden Ende der Baracke, lebte Billy Allison (The Fox) mit seiner Gruppe und John kam oft den Gang zwischen den dreistöckigen Betten entlang, um ihn zu besuchen und die neuesten Neuigkeiten auszutauschen. Er sah sich um, und wenn er „The Fox“ nicht sehen konnte, fragte er jeden in der Nähe: „Wo ist Foxie?“. Wo „der Fuchs“ sein mochte, war immer ein Rätsel, und normalerweise, bevor jemand antworten konnte, sagte John laut zu sich selbst: „Na ja, jagen im Wald“, und schon war er weg.

 

Der Marsch nach Westen vor dem russischen Vormarsch brachte seine eigenen Probleme mit sich und das deutsche Ausgabesystem von Rationen an die Gefangenen auf dem Marsch war sehr unzuverlässig. Anfangs konnten die Männer, die einen Vorrat an britischen Rot-Kreuz-Zigaretten hatten,sie  gegen zusätzliches Essen tauschen. Aber nach einem Monat auf der Straße hatten nur noch sehr wenige Männer etwas Wertvolles zum Tauschen übrig. Peter McGhie sagte, dass John der erste Mann war, den er je mit einem goldenen Ehering gesehen hatte und nach drei Wochen Marsch beschloss John, dass er seinen Ring verkaufen würde, wenn er ein gutes Geschäft machen könnte. Er verkaufte ihn für zehn Kilogramm Brot und da er ein großzügiger Mann war, teilte er es mit seinen beiden Marschkameraden, Peter McGhie und Phil Webster.

 

Samstagnacht, am 10. März 1945, schliefen einige von uns in einer kleinen Scheune zwischen Schönstedt und Dinglestädt in Thüringen. Am nächsten Tag, einem Sonntag, hatten wir einen kurzen Marsch von sechzehn Kilometern nach Worbis vor uns und gegen 2.30 Uhr morgens wurden etwa 100 von uns in einer zugigen, heruntergekommenen Scheune untergebracht. John stapfte schweigend mit seinem großen Rucksack umher und er hatte noch die Hälfte des Brotes, das er mit seinem Ehering gekauft hatte. Der Gedanke an dieses Brot in Johns Rucksack war für jemanden zu viel und er beschloss, es zu stehlen, wenn sich eine Gelegenheit ergeben würde. Der Bauer war ein toleranter Mann und schien nicht zu bemerken, dass wir uns seine Kartoffeln nahmen. Er sah, wie wir Latten von seiner Scheune abbrannten und brachte uns sogar eine Axt, um sie zu zerhacken. Die Männer waren damit beschäftigt, zu kochen, sich zu rasieren und zu waschen, und irgendwie, inmitten all dieser Aktivitäten, verschwand Johns Rucksack mit seinem Brot! Das war ein Schlag unter die Gürtellinie – seinen Rucksack und sein persönliches Hab und Gut zu verlieren war schon schlimm genug, aber dann auch noch 5 Kilo Brot, war unter diesen Umständen eine echte Tragödie! Armer John, er war wirklich niedergeschlagen. Mit hängenden Schultern, gesenktem Kopf und hinter dem Rücken verschränkten Händen stolperte er in der Scheune auf und ab und stieß dabei zwei Worte aus, die alle hören konnten: „English Gentlemen, english Gentlemen, english Gentlemen. E-n-g-l-i-s-h g-e-n-t-l-e-m-e-n!!“ Das war ein bitterer Moment für ihn und seine Gedanken quälten ihn. Der Dieb hatte Glück, dass er unentdeckt blieb – wenn John gewusst hätte, wer er war, hätte er ihn zu Brei geschlagen. Es schien, dass John nun den Glauben an die Menschheit verloren hatte und es gab einfach keine Möglichkeit für seine Begleiter, ihn zu trösten. Wir ließen uns für die Nacht nieder, alle im Bewusstsein von Johns Verurteilung der „englischen Gentlemen“ – ein Begriff, der jeden britischer Abstammung umfasste.

 

Am nächsten Morgen um 6 Uhr hieß es „raus, raus, raus“ und alle packten zusammen, bereit zum Aufbruch. Aber die Deutschen konnten sich nicht entscheiden und am Ende ging es zurück in die Scheune – ein Ruhetag. Die Verpflegung war an diesem Tag gar nicht so schlecht. Der Farmer machte zwei Suppen. Aber der schönste Anblick in der Scheune war der Australier Tommy Baker Williams mit einem Topf voller gekochter, geschälter Kartoffeln. Im Austausch gegen ein Stück kanadische Rotkreuzseife hatte die Frau des Farmers sie für ihn gekocht. Sie sahen wunderbar aus und rochen auch so. Der Farmer selbst war ein Rätsel. Er muss gemerkt haben, dass wir sein Kartoffellager ausplünderten. Vielleicht hatte er gemerkt, dass die Zeichen für Deutschland auf Sturm standen und bei unseren Raubzügen ein Auge zudrückt. In Vorbereitung auf den Marsch am nächsten Tag stahlen die meisten von uns so viele Kartoffeln wie wir tragen konnten. Zu diesem Zeitpunkt war Johns Rucksack wieder aufgetaucht, ohne das Brot. Wer der Dieb war, blieb ein Geheimnis und das Leben ging weiter.

 

Seit Tagen sagten uns unsere Bewacher, dass wir bald ein festes Lager erreichen würden. Wir hatten alle genug von diesem Nomadenleben und freuten uns auf die normalen Einrichtungen eines Stalags. Von Worbis aus marschierten wir am 13. März durch Ferna und weiter zu diesem mysteriösen Stalag in Duderstadt – was für ein Schock für alle! 4000 Mann in einem Ziegelofen, vier Stockwerke mit einer schmalen Treppe, überall Ziegelstaub, eine Handwasserpumpe, die jeden Tag gegen 14 Uhr trocken lief und minimale sanitäre Einrichtungen. Ein Mann der Royal Air Force (ein Mann der alten Schule) beschrieb den Ort als „blutig“. Auf dem Marsch von Görlitz war Duderstadt der westlichste Punkt, der erreicht werden konnte und ist der einzige Ort auf der Strecke, der heute in Westdeutschland liegt.

 

Duderstadt war ein seltsamer Ort. Männer kamen und gingen – einige konnten nicht schnell genug weg und man konnte es ihnen nicht verübeln. Einige gingen auf Arbeitstrupps, um Bombenschäden an Bahnhöfen zu reparieren, andere verschwanden einfach und einige blieben drei Wochen lang. Bert Meyer, ein Südafrikaner aus unserer alten 33A-Baracke in VIII A, wurde beim Brauen auf dem Dach erschossen. Viele Amerikaner starben – in der Ardennenschlacht gefangen genommen, waren sie sehr neue Gefangene und hatten nicht die Erfahrung und den Widerstand der langzeit Gefangenen.

 

John, als Oberstabsfeldwebel, sowie Peter und Phil, als Unteroffiziere, mussten nicht arbeiten, es sei denn, sie meldeten sich freiwillig, und das lehnten sie ab. Einige Männer waren froh, sich freiwillig zur Arbeit zu melden, nur um vom Brennofen wegzukommen. John, Peter und Phil diskutierten die Situation erneut und obwohl Phil bemerkt hatte „Wir werden hier sterben“, war keiner der drei bereit zu arbeiten. Viele waren der Meinung, dass der Ofen eine Todesfalle war und im Falle einer Bombardierung oder eines Feuers die Folgen für die Gefangenen im Inneren zu grausam waren, um sie sich vorzustellen – sie mussten weg von diesem Ort.

 

Johns Trennung von seinen beiden Marsch-Gefährten in Duderstadt bleibt ein Rätsel. In dem Strudel des Kommens und Gehens könnte es ein Zufall gewesen sein. Aber es ist schwer zu glauben, dass er Peter und Phil verlassen und sich aus einem plötzlichen Impuls heraus einer abgehenden Kolonne angeschlossen hätte. Mit dem offensichtlichen Zerfall Deutschlands könnte John als Pole das Bedürfnis verspürt haben, allein weiter zu machen. Vielleicht war er davon besessen, was das Ende des Krieges für ihn bedeuten würde. Vielleicht schloss er sich einer Kolonne an, die nach Göttingen ging. Sie brach auf und kehrte zwei Tage später zurück – sie waren fünfzig Kilometer in die falsche Richtung marschiert. Ein Zug mit Kranken fuhr nach Fallingbostel. John hätte sich nicht dafür qualifizieren können. Aber mit seinen Fähigkeiten als Linguist hätte er sich vielleicht in irgendeiner Funktion an Bord geredet. Seine Überlebensrate in zwei Weltkriegen war beeindruckend. Die Tatsache, dass er überlebt hatte, war möglicherweise seinem instinktiven Scharfsinns zu verdanken, und diesen, zusammen mit seiner ständigen Wachsamkeit, könnte man vielleicht als einen sechsten Sinn zur Selbsterhaltung bezeichnen. Dieser Sinn mag so stark in ihm gewesen sein, dass er das Bedürfnis nach Unabhängigkeit verspürte und am Osterdienstag, dem 3.4.1945, als Peter und Phil aus dem Ziegelofen auszogen, war John nicht bei ihnen und sie sahen ihn in Deutschland nicht wieder. Neun Tage später, am 12. April, wurde ihre Kolonne in dem sachsen-anhaltichen Ort Ditfurt von Sherman-Panzern der 9. amerikanischen Armee von General Simpson überholt. In der Aufregung der Befreiung waren Peter und Phil ein wenig traurig, dass John nicht bei ihnen war, um den großen Moment zu teilen und sie fragten sich, wo er war und was mit ihm passiert war.

 

Die Kolonne blieb fünf Tage an Ort und Stelle und nach den Strapazen des deutschen Winters und zwei Monaten auf der Straße waren es fünf Tage des Himmels. Freiheit, volle Bäuche, der Frühling war plötzlich da – alle schwelgten im Sonnenschein, die Apfelbäume blühten, die Bienen summten und jedes Huhn in der Stadt gackerte. Die Bürger, überwiegend Frauen, deren Zahl durch die Flüchtlinge aus Hamburg anschwoll, waren um ihre eigene Sicherheit besorgt und baten, da sie die Briten als nicht barbarisch ansahen, darum, dass britische Kriegsgefangene in ihre Häuser kommen sollten, um sie vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen durch russische Arbeiter, die ebenfalls frei waren.

 

Am 17. April wurde die Ditfurter Kolonne in amerikanischen Truppentransportern gesammelt und über Braunschweig zum Flugplatz Hildesheim gebracht, wo sie darauf wartete, mit Dakota-Flugzeugen aus Deutschland herausgeholt zu werden. Einige Männer wurden direkt zu Flugplätzen in England geflogen. Aber am ANZAC-Gedenktag, dem 25.4.45, wurde nach Brüssel in Belgien geflogen – die Männer wurden mit dem Zug nach Ostend- und mit dem Schiff „Ulster Castle“ nach Tilbury gebracht.

 

Das Empfangsdepot für neuseeländische Soldaten befand sich in Margate in Kent und wer sonst sollte in der ersten Maiwoche dort auftauchen als John Sojak, auf der Suche nach Peter McGhie. Im Kampfanzug mit polnischen Blitzen und Schulterklappen schien es als hätten die polnischen Behörden, abgesehen von der Uniform, nicht viel für ihn tun können. Er war knapp bei Kasse. Peter gab ihm etwas Geld als Geschenk.  Aber erfuhr von John nicht, wie und wann er nach England gekommen war. Jphn war wie immer zurückhaltend, was seine eigenen Erfahrungen betraf.

 

Während des Sommers 1945 lebte er in London. Billy Allison, der im Juni mit dem Schiff aus Odessa in Großbritannien angekommen war, wollte gerade in einen Zug einsteigen, als er John im Kampfanzug und mit khakifarbener Baskenmütze traf – es war gerade noch Zeit für ein kurzes Gespräch. Der stellvertretende Hüttenkommandant, Bob Anderson, traf ihn in London ebenfalls in Uniform und bei mehreren Gelegenheiten nahm John ihn mit in einen polnischen Club, der nicht weit vom neuseeländischen Fernleaf Club am Lowndes Square lag.

 

Ein oder zwei Jahre nach seiner Rückkehr nach Neuseeland erinnert sich Billy Allison daran, dass er zwei Briefe von John von einer Royal Air Force Station in Banff in Schottland erhielt, wo er im Rang eines höchsten Unteroffiziers diente.

Im Jahr 1977 berichtete der Kommandant der Royal Air Force Station in Lossiemouth in Morayshire auf Anfrage von Billy, dass die Station in Banff seit vielen Jahren geschlossen sei. Aber das militärische Archiv (polnische Abteilung) bestätigte, dass John bis September 1948 im Polish Resettlement Corps der Royal Aair Force gedient hatte.

 

Anfang 1947 erhielt Peter McGhie eine polnische Weihnachtskarte von John mit einer kurzen Nachricht „Beste Wünsche für Weihnachten und das kommende neue Jahr von John“. Die Karte zeigte Repliken der schottischen Distel, des polnischen Löwen und Adlers und eine Weihnachtskerze. Die einzige Adresse war Schottland 1946. Es war der einzige Brief, den Peter je von ihm erhielt. Mit der Veröffentlichung des Buches „Interlude“ in London, einem Bericht über das Stalag VIIIA in Görlitz, bestellte Peter ein Exemplar für John, hatte aber nie eine Adresse, an die er es schicken konnte. Es scheint, dass John, der immer zurückhaltend war, immer noch zögerte, seinen Aufenthaltsort preiszugeben. In Polen, zu Beginn des 2. Weltkriegs, war er verheiratet und hatte eine Tochter, doch es scheint, als ob er nicht in sein Heimatland zurückkehren wollte. Das letzte Dokument in seiner Armeeakte war eine Mitteilung über die britische Einbürgerung vom 12.2.1951 – eine Adresse wurde nicht angegeben.

Nach Beendigung seines Dienstes bei der Royal Air Force kehrte er vermutlich nach London zurück und erlernte das Klempnerhandwerk. Zu gegebener Zeit machte er sich selbstständig. Aber bis 1962 ist wenig über ihn bekannt bis Bob Anderson eine Antwort auf einen von ihm geschriebenen Brief erhielt. Der Brief ist maschinengeschrieben auf einem Papier mit der Überschrift J. F. Sojak, Klempner und Dekorateur, und datiert auf den 1. Juli 1962. (Der Brief und der Rest des Artikels wurden bearbeitet, um persönliche Details über ihn und seine Familie in Großbritannien zu entfernen.)

 

Liebe Freunde, ich war sehr erfreut, euren Brief zu erhalten. Ich spreche sehr oft über unsere Zeit im Gefängnis. ….. Ich habe mich hier in London mit meiner schottischen Frau niedergelassen. Ich habe meine Tochter aus Polen zum Urlaub hierhergebracht. Ich hatte sie seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. … Wir machten eine Tour über den Kontinent. Ich habe die Gefangenenlager nicht besucht, außer das in Chiavari (Campo 52) in Italien. Es ist nichts übriggeblieben. Es wurde von den Einheimischen dem Erdboden gleichgemacht nachdem wir verlegt wurden. ………………

 

Nach dem Tod seiner Frau im Jahr 1977 verschlechterte sich Johns Gesundheitszustand und er starb am 7. September 1977.

 

                           

Brady, T. O., Crandle, F.

„Interlude / the story of British prisoners of war

in Stammlager VIIIA at Görlitz in Lower Silesia, Germany”